Die Kür zum Spiel des Jahres ist in Deutschland eine Institution, deren Bedeutung sich auf den ganzen Globus erstreckt. Gern nehmen Freunde des gepflegten Gesellschaftsspiels hierbei die Redewendung vom „Oscar für Brettspiele“ in den Mund, um auf die hohe Bedeutung der Prämierung hinzuweisen. Spiele, die diese Auszeichnung erhalten haben, haben das Recht, sich für eine Lizenzgebühr das Zertifikat zu sichern, das fortan diese Spiele schmückt.
Es ist ein roter an einen Halmakegel erinnernder Spielstein mit Lorbeerkranz, auf dem die Jahreszahl der Auszeichnung verzeichnet ist. Die Lizenzgebühr zahlen die Hersteller der Brettspiele gern. Denn in der Praxis erfahren die Spiele dadurch einen enormen Schub bei der Nachfrage. Allein durch die Strahlkraft der Auszeichnung werden meist deutlich mehr als 300.000 Exemplare des Spiels binnen eines Jahres verkauft, was die bisherigen Verkaufszahlen des Spiels mindestens um den Faktor 10 übertrifft. Die Entscheidung findet immer in der Jahresmitte statt. 2020 war die Preisverleihung am 20. Juni. Spiel des Jahres wurde das Darstellungsspiel Pictures. Weitere Informationen zur Entscheidungsfindung finden unsere Leser hier.
Tradition seit 1979
Die Idee, den Preis für das Spiel des Jahres auszuloben, und die Ehrung alljährlich zu wiederholen, stammt von dem damaligen WDR-Journalisten Jürgen Herz. Er hatte die Idee 1978 und setzte sie ein Jahr später in die Tat um. Das erste Spiel des Jahres wurde das Ravensburger Spiel „Hase und Igel“, das damit die Spiel des Jahres Liste in der Historie anführt.
Welche Spiele erhalten den Preis?
Seit 1999 werden auch alle Spiele ausgezeichnet, die es zumindest auf das „Treppchen“ schafften, also Platz zwei oder drei belegten. Eine Erweiterung der Preisränge fand außerdem im Jahre 2001 statt, denn seit diesem Jahr wird das Kinderspiel des Jahres ausgezeichnet. Zehn Jahre später folgte das Kennerspiel des Jahres. Die mit diesem Preis ausgezeichneten Exemplare sind eher Gesellschaftsspiele für Erwachsene, die sich durch einen hohen Anspruch, originelle Ideen und einen gesunden Sinn für Komplexität auszeichnen. Zuweilen werden außerdem Sonderpreise ins Leben gerufen wie für Geschicklichkeitsspiele oder besonders schöne Spiele.
Wie es zur Entscheidung kommt
In der Mitte eines Jahres setzt sich das Gremium aus 14 stimmberechtigten und drei beratungsberechtigten Wahlleuten zusammen, um das Spiel des Jahres sowie das Spiel des Jahres in immer mehr Kategorien zu küren. Sie sind dabei angehalten, bei der Entscheidungsfindung vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Spielidee: Originalität, Spaßfaktor, Spielwert und Spielbarkeit
- Spielregeln: Verständlichkeit der Anleitung, Aufbau und Übersichtlichkeit der Spielregeln
- Spielmaterial: Grad der Verarbeitung, Gestaltung und Einbettung in die Funktionalität
- Grafik: Einbindung von Illustrationen von Spielanleitung, Spielplan und Karton in das Gesamtkonzept
Die Wahlentscheidung im Corona-Jahr und Ausblick
Dass es im Corona-Jahr 2020 überhaupt zu einer Entscheidung kam, war nicht selbstverständlich. Viele Veranstaltungen wurden durch die Umstände zur Absage oder Verschiebung gezwungen und auch bei der Kür zur Wahl des Spiels im Jahr 2020 hätte es leicht zu einer Absage kommen können, die intern auch diskutiert wurde. Dass es dennoch nicht zur Absage kam, lag wohl besonders an zwei Gründen: Einerseits war es Mitte des Jahres, zwischen erster und zweiter Welle, nämlich zu einer zwischenzeitlichen Beruhigung und damit zu einem deutlichen Abflauen der Fallzahlen gekommen.
Andererseits gehören die Entwickler von Gesellschaftsspielen zweifellos zu den Gewinnern von Corona. Wenn in der Öffentlichkeit krisenbedingt die Bürgersteige hochgezogen werden, dann gewinnen Spiele, die man in den eigenen vier Wänden spielen kann, deutlich an Wert. Dies gilt insbesondere für analoge Spiele, was die Verkaufszahlen für Brettspiele beweisen, denn viele Menschen beginnen im Zeitalter der Digitalisierung das urtümlich Analoge wieder zu schätzen und wissen, dass man leicht den Bezug zur Realität verliert, wenn man die 24 Stunden am Tag nur noch vor Computer und Smartphone verbringt. Gerade hier sind die traditionellen Brettspiele ein wirksames Korrektiv.
Schließlich spricht auch der Trend für eine Renaissance der Brettspiele. Nachdem uns die großen Ideale der 68er Zeit abhandengekommen sind und längst ein Bewusstsein dafür entstanden ist, dass der pure Spaß, so wie er in den späten 1990er Jahren und frühen 00er Jahren zelebriert worden ist, uns nicht glücklich macht, haben Soziologen inzwischen mit der Renaissance zum Biedermeier einen neuen Trend für die Hinwendung zum häuslichen Glück ausgemacht, so wie dieser in der Epoche zwischen dem Wiener Kongress und Vormärz vom deutschen Bürgertum zelebriert wurde.