Im Test beweist Resident Evil 2 Remake für PlayStation 4, dass es nicht immer völlig übertrieben große Open-World-Spiele sein müssen, die Spaß machen. Mit seinem Mix aus Classic und einigen wenigen neumodernen Elementen schafft es Capcom, das Horror-Genre wieder zu entflammen. Mehr noch als es das kleine Glimmern von Genrevertretern wie The Evil Within oder Outlast. Warum das Remake so verdammt gut ist und wieso ihr es euch unbedingt gönnen solltet, wenn ihr auf klassischen Horror steht, erfahrt ihr in den nachfolgenden Zeilen.
Wenn ihr das Original von 1998 noch kennt, könnt ihr diesen Abschnitt getrost überspringen. Denn ich erkläre jetzt kurz worum es geht, damit auch Neulinge rasch ins Geschehen finden. Zu Beginn des Spiels dürft ihr zwischen den beiden Protagonisten Leon S. Kennedy und Claire Redfield (die Schwester von Chris Redfield aus Teil 1) wählen. Während Leon gerade seinen ersten Arbeitstag beginnt, ist Claire zu dem Zeitpunkt noch Studentin. Dabei verschlägt es beide in die Stadt Raccoon City, die im Ableger zuvor von einer Zombieplage infolge eines Missgeschicks bei Umbrella Corp. heimgesucht wird. Hauptschauplatz des Spiels ist ein Polizeirevier mit allerhand großartigen Rätseln, dessen Komplexität und Genialität ihr heutzutage oftmals vermissen werdet. Die Geschichten von Leon und Claire unterscheiden sich marginal, bilden jedoch ein sehr gutes Gesamtbild der Ereignisse. Zudem stehen euch unterschiedliche Waffen je nach Charakter zur Verfügung.
Resident Evil 2 Remake – Spiel mir das Lied vom Tod
Kenner des Originals dürften im Verlauf des Spiels so ziemlich jeden Raum wiedererkennen. Doch der Unterschied zu 1998 ist gewaltig. Keine vorgerenderten Hintergründe und keine fixierte Kamera. Stattdessen setzt Resident Evil 2 Remake auf die etablierte 3rd Person-Kamera mit Schulterblick und in Echtzeit berechnete Räumlichkeiten mit physischer Berechnung, damit alles wie aus einem Guss wirkt. Und das tut es auch. Wenn Claire bzw. Leon die düsteren Räumlichkeiten mit ihren Taschenlampen erhellen, dann macht sich tatsächlich die Angst breit.
Und wenn ihr euch für den schwierigsten der drei zur Verfügung stehenden Schwierigkeitsgrade (Veteran) entscheidet, bekommt ihr das beste Spielerlebnis – nämlich jenes, das dem Original nahesteht. Dabei handelt es sich aber auch leider um ein echtes Zugeständnis an die Zustände im Jahr 2019. Auf „Leicht“ verkommt das Spiel zu einem Witz, denn ihr dürft unendlich oft speichern, regeneriert automatisch HP und bekommt obendrein eine Zielhilfe. Auf Standard dürft ihr nach wie vor unendlich oft speichern und bekommt Checkpoints serviert. Nur der Veteran-Modus mit seinen begrenzten Speicheroptionen (anhand von spärlich verteilten Farbbändern), stärkeren Gegnern, weniger Heilmitteln sowie Munition und fehlenden Checkpoints spiegelt den echten Terror des Originals wider.
Dass nämlich im zuletzt erwähnten Modus das Inventar-Management eine gewichtige Rolle spielt, dürfte schnell klar sein. Jede Kugel zählt. Zombies, Licker und wie sie alle heißen stellen echte Gefahren dar, weil sie euch mit wenigen Angriffen ins Jenseits befördern. Und wenn dann noch die mächtigen Bosse bevorstehen, läuft euch der kalte Schweiß von der Stirn. Etwas Abhilfe verschaffen die für das Remake eingeführten Zusätze wie Schießpulver. Es sind eben diese Kleinigkeiten, die das Remake so verdammt gut machen. Capcom hat an den genau richtigen Stellen die modernen Einflüsse integriert, sodass das Gesamterlebnis weitestgehend klassisch bleibt.
Resident Evil 2 Remake – Neues trifft auf Altes
Das klassische Spielgefühl tritt jedoch noch an vielen anderen Stellen des Spiels auf. Zum Beispiel bei der Steuerung. Zwar haben die Entwickler diese weitestgehend an heutige Standards angepasst, aber Ausweichrollen gibt es nicht. Tatsächlich dürften viele von euch die Steuerung als behäbig wahrnehmen. Claire und Leon dürfen – im Gegensatz zum Original – 180 Grad Drehungen vollführen und sich beim Zielen bewegen. Weitere große Änderungen gibt es hierbei allerdings nicht.
Auch klassisch gestaltet sich das Gameplay per se. Denn Resident Evil 2 Remake lässt die Blütezeit der linearen Spiele nochmals wiederkehren. Eure Pfade sind streng vorgegeben und wenn ihr das Gefühl von Wahlfreiheit habt, so ist dies nicht mehr als eine Illusion. Warum? Weil ein Rätsel das Vorankommen verhindert und ihr somit auf den ursprünglichen Pfad zurückkehrt. Und genau diese Linearität macht auch den Reiz des Spiels meiner Meinung aus. Ab und zu will ich einfach nicht 100 Stunden in ein Service-Spiel mit toter Spielwelt investieren, das mir an jeder Ecke mit Mikrotransaktionen mehr Geld aus der Tasche ziehen will. Hier bekomme ich zwei Mal sieben bis acht Stunden Horror in Reinkultur, darf anschließend im „The 4th Survivor“-Arcade-Mode ein wenig ballern und gut ist. Das ist ein Spiel der alten Schule ganz nach meinem Geschmack. Hier weiß ich ganz genau, wofür ich 60 Euro reinstecke und werde bestens unterhalten.
Das Design der Polizeistation und dem Labor ist ungemein durchdacht. Zudem gestalten sich die vielen Rätsel (insbesondere die neueren) als verdammt clever und machen einfach Spaß. Und wenn euch nach wenigen Spielstunden auffällt, wie intelligent die Entwickler die Map im Spiel integriert haben. Außerdem beweisen die Entwickler durch gewiefte Tricks, dass Backtracking an alte Orte kein Malus sein muss – vielmehr ist es eine Belohnung für jene, die sich eben darauf einlassen, die Büros der inzwischen entmenschlichten Cops genauestens zu untersuchen.
Resident Evil 2 Remake – Schaurig schön
Während sich Resident Evil 2 Remake an vielen Stellen sehr klassisch gibt, so ist das ganze Drumherum völlig modern. Die Grafik und insbesondere der Sound sind über jeden Zweifel erhaben. Besitzer einer PS4 Pro, Xbox One X oder einem potenten PC erleben das Gruselspiel in 4K mit HDR-Support. Vor allem in den dunkleren Räumlichkeiten scheint der HDR-Effekt so richtig durch, denn gerade hier überragt der satte Kontrast. Das sorgt natürlich auch für eine schaurig dichte Atmosphäre, die gegenwärtig seinesgleichen sucht.
Ganz vorne mit dabei ist auch die Soundkulisse. Zwar bietet Capcom auch einen Classic-Sound an, doch mehr als ein netter Gag nebenbei ist das nicht – das wirkt nun freilich nicht zeitgemäß. Wenn ihr über eine entsprechend gut ausgestattete Heimanlage verfügt, bekommt ihr ein fettes Klangerlebnis geboten. Jedes Geräusch lässt euch aufschrecken, jedes Knarzen der Holzböden macht nervös und das Zischen des Windes wird nur vom Stöhnen der Untoten unterbrochen. Und falls ihr so richtige Sound-Liebhaber seid: 3D Audio unterstützt der Titel ebenso.
Kritik muss sich Capcom hingegen für die Sprachausgabe gefallen lassen. Weniger für die sehr guten englischen Sprecher, dafür aber umso mehr für die deutschen Sprachrohre. Keiner von denen schafft es, den Charakteren Leben einzuhauchen. Alles wirkt emotionslos, platt und gelangweilt – aber das kennen wir leider zur Genüge. The Evil Within 2 machte es mit seinen „Influencer“-Sprechern nicht wirklich besser und ruinierte das Spielerlebnis für jene, die des Englischen nicht mächtig waren.
Fazit:
In Zeiten von Red Dead Redemption 2, Assassin’s Creed Odyssey und Anthem wirkt Resident Evil 2 Remake schlicht und ergreifend wie die überlebenswichtige Blutinfusion inmitten vieler Blutsauger, die mittels Mikrotransaktionen an eure hart verdienten Euros kommen wollen. Es ist gerade diese Oldschool-Linearität, die mir klipp und klar sagt, wo ich lang muss, was ich darf und was nicht. Mich stört es auch keineswegs, dass die Steuerung manchmal etwas behäbig ist – das Original war dahingehend noch „schlimmer“.
Capcom hat mit dem Remake alles richtig gemacht und hat meinen allerhöchsten Respekt dafür. Neben dem erstklassigen Remake von Yakuza 2 (genannt Yakuza Kiwami 2, erschienen 2018) steht nun auch Resident Evil – und beide Titel beweisen, wie man den Zeitgeist der 90er und frühen Nullerjahre auch heute noch perfekt einfängt. Und weil mich die Nostalgie gepackt hat und die Moderne so gut integriert ist, vergebe ich die 9. Achja: Die Linearität kreide ich dem Spiel keineswegs an, sondern hebe sie positiv hervor.
Dieser Text stammt von einem freien Redakteur und spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider!