Im Test zeigt Wolfenstein: Youngblood, dass Live-Service-Features einfach nicht zu geradlinigen Shooter-Wurzeln passen. Koop, spürbare Kugelfänger, schlechte Story und Mikrotransaktionen – das sind die Merkmale von Wolfenstein: Youngblood. Ist das Ding noch zu retten? Erfahrt es in den nachfolgenden Zeilen des Tests auf Basis der deutschen, geschnittenen PS4-Version.
Ein kurzes Vorwort: Für den Test stand die „geschnittene Version“ zur Verfügung. Sprich: Keine Nazi-Symbole, keine englische Sprachausgabe möglich – selbst dann nicht, wenn die Konsole eine andere Sprachbasis aufweist. An der Wertung ändert der Umstand fehlender Symbolik absolut nichts, im Sinne der journalistischen Vollständigkeit soll dies jedoch nicht verheimlicht bleiben.
Wolfenstein: Youngblood – Story mies, Sprachausgabe mieser… und das Gameplay?
Wolfenstein: Youngblood spielt im Jahr 1980 und als Spieler gilt es sich für eine der beiden Zwillingsschwestern von B.J. Blaszkowicz zu entscheiden – das sind Jess und Soph. Die deutschen Sprecherinnen sind dabei unter aller Kanone. Nach dem ersten gesprochenen Satz wollte ich den Ton bereits abschalten, nach dem ersten Level aufhören. Sätze sind völlig falsch betont, die Stimmlage (Stichwort Strohbass) lässt das Blut in meinen Adern kochen und deren Sprüche bilden das Einmaleins der taffe-Frau-Klischees ab. Wenn man bereits die einmalige Chance besitzt, gleich zwei Frauen als Hauptcharaktere in den Fokus einer maskulinen Domäne zu setzen, warum muss das dann dermaßen stereotypisiert passieren? Nun, jedenfalls suchen die Geschwister nach ihrem Brüderchen in Neu-Paris und schließen sich dem Widerstand an, der den Faschisten den Garausmachen will. Fast spannend.
Spielerisch ist Wolfenstein: Youngblood ein Koop-Shooter der unzertrennlichen Art. Egal ob mit KI oder echtem Spieler am anderen Ende der Welt – Jess und Soph sind immer gemeinsam unterwegs. Mit dabei sind auch Gameplay-Elemente, die im Jahr 2019 einfach nichts mehr zu suchen haben. Dazu gehören die obligatorisch zu schwer zu öffnenden Tore, obwohl beide Damen locker die Power dazu hätten. Oder die „Geteiltes Leben“-Truhen, die unbedingt von zwei Personen bedient werden müssen. Das war zu Zeiten von Gauntlet (1985) schon nicht mehr spannend und ist es heute umso weniger.
Gegenüber den üblichen Spielen der Reihe zeigt sich Wolfenstein: Youngblood von seiner offenen Seite. Nach einem vergleichsweise kurzen Intro gilt es nämlich die vier Teile der Stadt zu erkunden. Dabei überrascht der Titel mit allerhand Alternativwegen, offenen Türen bzw. Fenstern und vielen Möglichkeiten, die Stadt zu entdecken. Wenn ihr euch darauf einlasst, versprüht das Spiel plötzlich einen ungewohnt kreativen Charme – kein Wunder, sitzt Arkane Studios hier mit an Bord. Und die punkteten bereits mit Dishonored in dieser Hinsicht.
Wolfenstein: Youngblood – Wer suchet, der findet
Daran bemessen ist es auch wenig verwundernd, dass diverse Live-Service-Mechaniken Einzug erhalten haben. Eine feste Reihenfolge der Missionen gibt es nicht, stattdessen seid ihr frei, inwiefern die Haupt- und Nebenmissionen anzugehen sind. Außerdem haben die Entwickler allerhand RPG-Elemente einfließen lassen, die das Spielgeschehen mal zum Schlechteren, mal zum Guten wenden. Kills und Missionen liefern wie üblich Erfahrungspunkte, die schlussendlich den Level-Aufstieg bedeuten. Und damit folgen auch verschiedene Talente, mit denen die Schwestern theoretisch kräftiger sein sollen.
Ja, theoretisch ist hier das richtige Wort. Denn in der Praxis macht es keinerlei Unterschied, ob ihr Talente wählt oder nicht. Das Spiel bleibt immer gleich schwierig. Sämtliche Feinde leveln nämlich mit und skalieren in Abhängigkeit eurer Talente. Kurzum: Mehr als ein arbiträres Ziel verfolgt ihr mit diesen nicht – schade, denn gerade das Talentsystem hätte wirklich cool sein können. Dasselbe gilt auch für die Waffenupgrades. Auch hier heißt es: Spart euch am besten die Mühe, es bringt nach Basis-Upgrades faktisch sowieso nichts. Und weil ihr deswegen des Öfteren das Zeitliche segnet: Die Checkpunkte, sollten eure geteilten Leben aufgebraucht sein, sind passend dazu miserabel gesetzt.
Überdies haben es die Entwickler verpasst, Wolfenstein: Youngblood einen Split-Screen-Modus hinzuzufügen. Stattdessen gilt es sich ein extra Bethesda-Konto anzulegen und online zu zocken. Die Haupt- und Nebenmissionen sind dabei wenig kreativ. Nicht nur gibt es wenig Abwechslung bei den Gegnern, auch die Missionen verlangen oftmals dasselbe von euch. Schlimmer noch: Backtracking steht an der Tagesordnung! Während die ersten Stunden im Koop noch zündeln können, stellt sich schnell viel Ernüchterung ein. Zwar gibt es mehrteilige Nebenmissionen, die tatsächlich Spaß machen, doch davon gibt es schlicht viel zu wenig.
Optisch macht Wolfenstein: Youngblood einen anständigen Eindruck. PS4 Pro-Nutzer sollten die dynamische Auflösung bevorzugen, weil diese 60 FPS festzurrt und stattdessen die Auflösung variabel gestaltet. Die Soundeffekte überzeugen vollends.