Im Test überzeugt Ghost of Tsushima durch seine atemberaubende Grafik und erstklassiges Samurai-Gameplay. Was den neuesten Titel von Sucker Punch so besonders macht und warum es der glanzvolle Abschluss der PS4-Ära ist, erfahrt ihr in den nachfolgenden Zeilen des Artikels!
Wir schreiben das Jahr 1274. Die Mongolen fallen über Japan her und beginnen ihre Invasion auf der Insel Tsushima. Bereits zu Beginn macht Ghost of Tsushima klar, dass es hier ganz und gar nicht zimperlich zugeht und der Titel auch nichts für schwache Gemüter ist. Die Werte der Samurai, Ehre und Disziplin, interessieren die Mongolen überhaupt nicht, sodass diese von den Invasoren überrannt und nahezu ausgelöscht werden.
Mittendrin statt nur dabei: Jin Sakai, der Held von Ghost of Tsushima und zugleich Oberhaupt des Sakai-Clans. Und Jin ist zugleich der Neffe von Fürst Shimura, der beim ersten Überfall als Geisel genommen wird. Der Kidnapper ist niemand anderes als Khotun Khan, Nachfahr von Dschingis Khan.
Während Jin auf wundersame Art und Weise die brutale Schlacht überlebt, muss er schnell feststellen, dass die Mongolen wie ein Fegefeuer über die Insel gezogen sind. Und so entfaltet sich eine Art Rachefeldzug, auf dem Jin sukzessiv die Werte der Samurai infrage stellt oder gar vollständig ad acta legt. Auf seine Reise durch die drei Abschnitte (passenderweise gibt es drei große Akte) lernt ihr allerhand Charaktere kennen und bewundert die wundervollen Landschaften, die ungemein abwechslungsreich sind.
Ghost of Tsushima – Windiges Samurai-Abenteuer
Dass Ghost of Tsushima grafisch absolut fantastisch aussieht, müssen wir eigentlich nicht wirklich weiter klären. Im späteren Teil des Artikels gehe ich aber auf ein paar Besonderheiten ein. Vielmehr überzeugt das Spiel durch seine atemberaubenden Gebiete und die richtig coolen Gameplay-Elemente. Der Wind ist nämlich euer Weggefährte.
Mit einem sanften Streichen über das Touchpad des PS4 Drückers zeigt euch der Wind nämlich die Richtung zum Ziel. Mit einem Wisch nach rechts führt ihr euer Katana zurück in die Scheide, nach links lässt die Flöte spielen, die das Wetter verändert. Das Schöne an der ganzen Windmechanik: Die Wege sind offen und ihr folgt nicht unbedingt einer Straße im The Witcher-Stil. Dadurch erlebt ihr deutlich mehr von der Umgebung und entdeckt allerhand Geheimnisse. Super clever!
Damit aber nicht genug. Sobald ihr euch in der Nähe einer Fuchshöhle befindet oder ein heißes Bad in einer der Quellen ansteht, helfen euch die örtlichen Tiere (Fuchs respektive goldener Vogel) dabei, den richtigen Weg zu finden. Ersterer ermöglicht es euch, mehr Amulette anzuziehen, die verschiedene Boni bringen. Letzterer führt euch zu besagten heißen Quellen (Hot Springs), womit sich eure maximale Gesundheit erhöht. In gewisser Weise erinnern die Mechaniken an Nioh.
In Städten oder Outposts befinden sich zudem Bamboo-Stämme, die ihr durchtrennen könnt, um eure „Resolve“ zu verbessern. Damit könnt ihr mythische Spezialattacken ausführen oder euch auf Knopfdruck heilen. Die Amulette findet ihr übrigens in den Missionen oder besonders mächtige in den verschiedenen Tempeln, die ein wenig Kletteraction erfordern.
Unglaublich brutal und unglaublich befriedigendes Gameplay
Ghost of Tsushima setzt auf ein gewöhnungsbedürftiges, aber sehr befriedigendes Gameplay – sobald ihr es beherrscht. Die Krux liegt nämlich darin: es gibt keinen direkten Lock-On für Gegner. Das bedeutet also im Umkehrschluss, dass ihr bei Unbedarftheit gerne mal ins Leere schwingt. Sobald ihr euch aber eben auf diese Eigenheit eingestellt habt und die Parry-Timings beherrscht, wirkt Ghost of Tsushima wie ein waschechter Samurai-Thriller, der den alten Kurosawa-Filmen in nichts nachsteht. Übrigens: Passend zum Vorbild gibt es auch den gleichnamigen Schwarz-Weiß-Modus, der das Flair der alten Streifen perfekt einfängt.
Jin beherrscht verschiedene Stances, die sich an die unterschiedlichen Gegnertypen anpassen. Die Moon-Stance beispielsweise ist bestens geeignet für die dicken Brummer. Die Water-Stance bricht Schildträger schnell, während die Wind-Stance die Lanzenfreunde durch windschnittige Pirouetten aus der Fassung bringt.
Der Wechsel im Kampf ist flüssig und mitunter auch nötig – selbst wenn ihr auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad spielt. Für meinen persönlichen Geschmack ist aber auch der Hardmode zu leicht, denn sobald der „Perfect Parry“ mit den Skillpunkten gekauft ist, trivialisiert dieser sehr viele Kämpfe. Skillpunkte bekommt ihr – wenig überraschend – für den Level-Aufstieg, der nur durch die Erfahrung aus Missionen oder zufällige Mongolen-Überfälle geschieht. Lediglich Mongolen bzw. Banditen in der offenen Spielwelt umzulegen bringt keine Erfahrungspunkte!
Die Kämpfe in Ghost of Tsushima spielen sich insgesamt sehr brachial und man merkt die Wucht in jedem Angriff. Die Finisher sind krass und die Brutalität des späten 13ten Jahrhunderts wird sehr stark auf dem Bildschirm wiedergegeben. Kleiner Tipp an dieser Stelle: 2vs1 gewinnt ihr locker. 3vs1 wird schwieriger. Alles darüber ist fast schon Selbstmord – vor allem, wenn euch Bogenschützen zu schaffen machen und ihr selbst nicht flott genug seid mit Pfeil und Bogen. Die Inszenierung von Bosskämpfen bildet dabei das Tüpfelchen auf dem i.
Riesige Map mit allerhand Geheimnissen
Wie ihr die Missionen und Gefechte auf der großen Spielwiese Tsushima angeht, ist dabei vollkommen euch überlassen. Sowohl der brachiale Stil mit Stand-Offs und furchtlosen Kämpfen als auch der Stealth-Ansatz funktionieren exzellent gut. Leider aber spielt die KI bei den Stealth-Einlagen etwas zu gut mit. Kurzum: Solange euch die Gegner nicht sehen, sind sie blind, stumm, taub und dumm. Das trübt den ansonsten tadellosen Eindruck der ansonsten clever agierenden Feinde (nur Hard Mode).
Auf dem Rücken eures Pferdes durchquert ihr die malerisch schönen Landschaften von Tsushima und lernt die Geheimnisse kennen. Die Missionen des Spiels sind nun wirklich keine Überraschung, doch deren Aufmachung ist es, was sie so besonders macht. Im Kern stecken simple Kill-, Bring und Escort-Missionen dahinter. Doch mal gilt es einer Sage nach rachsüchtigen Geistern im Wald auf den Grund zu gehen, mal schützt ihr die lokal berühmte Brauerei vor Mongolen und mal übernehmt ihr auch gleich einen ganzen Hafen.
Dabei leiht sich Ghost of Tsushima viele Mechaniken aus Assassin’s Creed. Aussichtstürme, die Lokalitäten enthüllen gibt es dankenderweise nicht. Vielmehr meine ich damit Forts von Feinden, wo ihr verschiedene Ziele absolvieren könnt bzw. müsst, sodass am Ende die japanische Bevölkerung zurückkehren kann. Als Belohnung winken Supplies, Stahl, Erze oder Stoffe.
Diese benötigt ihr für das Upgrade-System der verschiedenen Rüstungen sowie Waffen (es gibt nur ein Katana, aber mehrere Bögen). Das System ist darauf ausgelegt, dass ihr erst im dritten Akt wirklich weit fortgeschritten seid, insofern braucht ihr euch keine Sorgen zu machen, wenn es etwas länger dauert. Ohnehin ist die Spielzeit mit mindestens 30 Stunden sehr hoch angesetzt. Wer alles sehen und erleben will, sollte um die 80 Spielstunden einplanen.
Ghost of Tsushima – Ein audiovisuelles Meisterwerk
Wie eingangs schon erwähnt, ist Ghost of Tsushima ein grafisches Meisterwerk. Die Umgebung wirkt einfach traumhaft schön und ich erwischte mich dabei, fast jede Minute irgendwo stehen zu bleiben und entweder sofort ein Screenshot zu machen oder den Photo-Mode zu aktivieren, um das beste herauszuholen. Zum Zeitpunkt des Artikels (25.07) liegen über 100 GB an Screenshots und Videos auf meiner PS4 Pro. Alle Bilder, die ihr in diesem Artikel seht, sind dementsprechend von mir geschossen.
Dabei solltet ihr aber beachten: HDR wird nicht abgebildet! Und gerade das macht einen riesigen Unterschied. Auf der PS4 Pro läuft das Spiel nativ in 1800p und 30 FPS, wobei die Framerate hin und wieder bei großen (>7 Gegner) auch mal einbrechen kann. Im Performance-Mode hingegen skaliert es auf 1080p runter und läuft mit konstanten 30 FPS.
Die herausragende Qualität hat aber auch ab und zu seine Schattenseiten. Manche Texturen wirken nämlich eher schwach – ein Zeichen dafür, dass die PS4 (Pro) an dieser Stelle wohl vollständig ausgereizt ist. Ich bin gespannt, inwiefern ein etwaiges PS5 Upgrade die Performance, Auflösung und insbesondere Texturen noch besser in Szene setzen kann.
Die musikalische Untermalung von Ghost of Tsushima ist über jeden Zweifel erhaben. Dabei nutzen die Entwickler sowohl den Controller für Wind-Sounds als auch alle Möglichkeiten, die eine 5.1 Anlage (oder besser) zu bieten hat. Wenn ihr nicht in den Genuss von 5.1/7.1 kommt, verpasst ihr in der Tat was. Englische Sprachausgabe ist exzellent und die einzige Version, die lippensynchron ist. Die japanische Tonspur ist ebenfalls superb, aber eben leider nicht lippensynchron.