Im Test zeigt Like a Dragon Infinite Wealth, dass es die Transformation vom Brawler zum Turn-Based-Rollenspiel endgültig vollzogen hat – im positiven Sinne! Während der Vorgänger gerade beim Kampfsystem noch ein wenig gestrauchelt hat, gibt es kaum noch Kritik daran in Infinite Wealth. Und die Story erst! Der Wahnsinn. Doch keine Eile. Über 100 Stunden Spiel wollen natürlich ausführlich besprochen werden.
Like a Dragon Infinite Wealth steht zu Beginn allerdings auf wackeligen Beinen. Das liegt weniger an der Story, sondern vielmehr am Pacing. Zu Beginn erlebt ihr erst einmal ein Comeback der aus Teil 7 bekannten Charakter-Riege um Ichiban, Saeko und Co. Das Spiel bringt euch das Kampfsystem erneut in seinen Facetten bei und erklärt erste wesentliche Dinge. Auch auf Hawaii, der neuesten Location der Serie, setzt sich dies fort. Bis Kapitel 3, teilweise sogar Kapitel 4, zieht sich das eigentliche “Tutorial” des Spiels. Das können gut 15-20 Stunden sein.
Like a Dragon Infinite Wealth – Story par excellence
Like a Dragon Infinite Wealth ist die mit Abstand größte Storyline der Reihe, die euch diesmal 50-60 Stunden nur für die Storyline beschäftigen wird. Und wichtig zu wissen ist, dass es gerade für Kiryu’s Motive durchaus wichtig sein kann, das Spin-Off “Like a Dragon The Man Who Erased His Name” gespielt zu haben. Ihr bekommt zwar einen sehr groben Abriss dessen, was passiert. Aber es hilft dennoch, vieles zu verstehen.
Ansonsten aber dürft ihr euch auf die üblichen starken Crime-Drama-Abschnitte, eine geballte Man- und auch Womanpower sowie die typischen urkomischen Side-Stories freuen, von denen es gleich mehrere Dutzende gibt. Erstmals kann ich Kritik an der Storyline eines Yakuza/Like a Dragon-Spiels äußern.
Denn Like a Dragon Infinite Wealth versucht meiner Meinung nach zu viele Geschichten gleichzeitig abzuarbeiten. Und zwar spätestens dann, wenn es darum geht, die Stories von Kiryu und Ichiban parallel zu führen. Das wird spätestens ab einem gewissen Zeitpunkt sogar sehr schwierig, wenn die beiden Charaktere kaum unterschiedlicher in ihrem gegenwärtigen Gemütszustand sein könnten. Mehr Details als das möchten wir euch aus Spoiler-Gründen aber auch nicht verraten.
Das aber soll keineswegs den Spaß an der Story verderben. Sie ist immer noch eine 11/10, nur eben nicht mehr ganz so stringent wie in vorherigen Abschnitten, die einen deutlichen Fokus auf einen Gesamthelden hatten (mit Ausnahme von Yakuza 4, wo ihr ebenfalls mehrere Charaktere gespielt habt). Auch leidet das Pacing hin und wieder eben aufgrund des Splits von Kiryu und Ichiban, wodurch manche Abschnitte richtig stark und (melo-)dramatisch sind, während der andere Charakter gerade die Zeit seines Lebens hat.
Like a Dragon Infinite Wealth – Überarbeitetes Kampfsystem mit Pepp
Das Kampfsystem funktioniert im Grunde genommen ähnlich wie im vorherigen Spiel, bietet jedoch jetzt eine viel feinere Kontrolle über die Kämpfe. Gegner können nicht mehr frustrierende Gelegenheitsangriffe außerhalb ihrer Reihe starten. Noch besser ist, dass ihr jetzt frei seid, eure Charaktere neu zu positionieren, bevor ihr einen Angriff startet, die Winkel ausrichtet und idealerweise einen Straßenschläger durch drei oder vier seiner Freunde rammt, sodass sie alle in einem verworrenen, stets befriedigenden Haufen landen.
Auch wenn das Kampfsystem unkompliziert ist, verleihen die Charaktere und die Vielfalt der Feinde ihm reichlich Farbe. Ichiban besitzt immer noch eine fieberhafte, von Dragon Quest durchdrungene Vorstellungskraft, die gewöhnliche Straßenrüpel in absurde Cartoon-Klischees verwandelt. Hafenarbeiter werden zu Piraten, streitsüchtige Soundcloud-Rapper zu von KISS inspirierten Metalheads, und Sicherheitskräfte verwandeln sich in Roboter-Vollstrecker.
Die überlebensgroßen Halbstarken bieten eine unterhaltsame Auswahl an Zielen, die von Ichibans neuer Truppe von Kumpels getreten, geschlagen und gesprengt werden können. Darunter sind Chitose (eine wohlhabende, aber clevere junge Erbin, die mit Ballettbewegungen kämpft) und Eric Tomizawa, ein düsterer Taxifahrer, der mit Reifenhebern, Straßenfackeln und anderen improvisierten Werkzeugen seines Handwerks kämpft. Diese unterhaltsamen neuen Freunde findet man im Hauptstadt-Hub des Spiels, Honolulu; eine wunderschöne, offene hawaiianische Stadt, die endlich groß genug erscheint, um die JRPG-Ambitionen des Spiels zu unterstützen. Sicherlich geräumiger als das Yokohama des vorherigen Spiels.
Komplettiert wird das Ganze von einer sehr großen Auswahl an verschiedenen Jobs, die ihr an mehreren Spots in Like a Dragon Infinite Wealth wechseln könnt. Darunter sind ein Aquanaut, Surfer, ein Bruce Lee-inspirierter Fighter-Stil, Tennisspielerin und vieles mehr. Die Fähigkeiten sind sehr cool und irrwitzig gestaltet, sodass sich wildes Probieren definitiv lohnt!
Like a Dragon Infinite Wealth – Minispiele bis zum Abwinken
Jeder der drei Stadthubs ist vollgepackt mit Ablenkungen und Minispielen. Es gibt ein lustiges Crazy Taxi-inspiriertes Lebensmittel-Liefer-Minispiel, sowie Serienklassiker wie Shogi, Poker, Mahjong und Darts, sowie eine Auswahl von emulierten SEGA-Arcade-Klassikern wie dem obskuren 3D-Prügelspiel SpikeOut. Karaoke kehrt natürlich zurück, wobei Kiryu einmal mehr sein Herz bei Baka Mitai ausschütten darf.
Während die Nebengeschichten beiden Helden reichlich zum Lachen und zum Nachdenken geben, tendieren Kiryus dazu, alte Fans (wie vermutlich die meisten von euch) stärker zu berühren, da sie zufällige Begegnungen mit alten Bekannten zeigen, die einerseits aufgewachsen, andererseits sich an die neuen Gegebenheiten der Welt anpassen müssen. Während Ichibans Suche nach seiner Mutter an den Herzstrings ziehen kann, eignet er sich besser für verrücktere Szenarien, darunter Rückblenden zu vergangenen Begegnungen mit wütenden Mega-Roombas und erwachsenen Babys, die als wichtige komödiantische Entlastung dienen und das Schwere ausgleichen.
Es gibt reichlich Gelegenheiten, um in der Stadt zu grinden, wobei Hawaii und Japan jeweils einen mehrstufigen prozedural generierten Dungeon bieten, wenn ihr unbedingt etwas zusätzliche Erfahrung und Bargeld braucht. Und für diejenigen, die wirklich knapp bei Kasse sind, gibt es zahlreiche zusätzliche Geldverdienstmöglichkeiten, die sich aus den beiden „Haupt“-Minispielen, der Sujimon League und Dondoko Island, ergeben, die wiederum mit dem Hauptspiel verbunden sind.
Dondoko Island hat meine Aufmerksamkeit am besten gehalten. Ein von Animal Crossing inspiriertes Nebenspiel über die Wiederherstellung einer von Müll bedeckten Insel zu einem Fünf-Sterne-Resort. Es ist fröhlicher und luftiger Spaß und hat sich fest in den Teil meines Herzens verankert, der es liebt, Zahlen exponentiell steigen zu sehen, wenn Gäste, die ich in den Hauptstadt-Hubs getroffen habe, meine zunehmend schillernde Insel besuchen. Das Erreichen des Endziels eines Fünf-Sterne-Resorts hat mich insgesamt etwa zehn Stunden gekostet, was genug Geld brachte, um den größten Teil des restlichen Spiels finanziell zu vernachlässigen, sowie einen mächtigen Angriff für Ichiban. Alles in allem eine schöne Abwechslung von der Hauptgeschichte nach meinen ersten 20 Stunden.
Die Sujimon League ist ein Nebenspiel, bei dem Kreaturen gegeneinander antreten (unter Verwendung der verschiedenen schrulligen Charaktere, die ihr als „Monster“ auf dem Feld trefft). Es fühlt sich eher wie ein leichtes mobiles Gacha-Spiel als wie Pokemon an. Es ist eine niedliche Ausrede, um seltsame Straßenleute zu suchen, zu besiegen und anzuwerben, aber das einfache und statische Kampfsystem hat mir nicht viel gebracht und reduzierte sich größtenteils darauf, ein höheres Level an Kreaturen zu haben und ihre Schere-Stein-Papier-Schadensarten im Auge zu behalten.
Like a Dragon Infinite Wealth – Optisch & akustisch ein Leckerbissen
Die Grafik von Like a Dragon Infinite Wealth ist über jeden Zweifel erhaben und macht einen grundsoliden Eindruck – genauso wie bei seinem Vorgänger. Das Spiel flimmert mit butterweichen 60 FPS über euren Bildschirm und die Effekte können sich sehen lassen. Einige Szenen wirken zwar etwas schwach, im großen Ganzen aber bekommt ihr es hier mit einer tollen Präsentation zu tun.
Akustisch gibt es keinerlei Grund zu meckern – wenn wir von der schwachen englischen Sprachausgabe absehen. Die japanischen Originale sind so gut wie eh und je, der Soundtrack ein Traum und die Karaoke-Songs fantastisch.
Zuletzt bliebe da noch die Kontroverse um den New Game+, der hinter dem 15 Euro teuren Upgrade versteckt ist. Ja, das ist mies und sollte nie die Runde machen. Auf der anderen Seite: Nach über 100 Stunden mit Like a Dragon Infinite Wealth werde ich vermutlich erst einmal nicht zurückkehren, weil ich noch andere Spiele auf der Liste habe, die genauso lang sind – Persona 3 und auch Final Fantasy VII Rebirth, um nur zwei zu nennen. Einen Punkt Abzug bekommt Like a Dragon Infinite Wealth dennoch für diese miese Abzocke.