Nachdem ich Persona 5 bereits eine absolut verdiente 10/10 gab, holt sich selbstverständlich auch Persona 5 Royal seine Lobeshymnen ab. Was hat sich in der verbesserten Version getan? Das und vieles mehr zum Spiel erfahrt ihr in den nachfolgenden Zeilen.
Zivilcourage ist gut und wichtig. Doch für einen jungen College-Studenten endet die Sache ziemlich schlecht. Zur falschen Zeit am falschen Ort möchte man sagen. Denn der Täter entkommt und der Helfer wird als Täter zur Bewährungsstrafe verdammt. Und als wäre das nicht genug, muss der Protagonist die Schule wechseln, wo die Gerüchte um seine vermeintlich kriminelle Vergangenheit sehr schnell die Runde machen. Ist noch immer nicht tragisch genug? Nein, denn er muss auch noch in einem Dachboden eines – sehr – entfernten Verwandten wohnen.
Die Geschichte von Persona 5 Royal wird in vielen mitunter langen Dialogen in aller Ausführlichkeit erzählt. Wenn euch das nicht liegt, solltet ihr vielleicht aufhören zu lesen. Atlus nimmt sich im Rahmen der locker 80 Stunden langen Storyline alle Zeit der Welt, um sämtliche Protagonisten so greifbar und echt wie möglich darzustellen. Allein das erste Kapitel des Spiels hat mich schon stolze 9 Stunden beschäftigt. Darin geht es um einen Sportlehrer, der seine Schüler misshandelt.
Persona 5 Royal – Geschichtlicher Hintergrund
Der Protagonist des Spiels hat aber noch viel mehr Probleme, denn eine mysteriöse nervt den jungen Highschool-Schüler. Gemeinsam mit seinem Kumpel wider Willen (zunächst!), Ryuji, entführt besagte Map die beiden in eine Art Parallelwelt, wo sie in einem Schloss gefangen sind. Dabei handelt es sich um die Welt, wie sie sich der oben erwähnte Sportlehrer vorstellt. Er fühlt sich nämlich wie der große Babo, da er ein Medaillengewinner ist. In dieser Parallelwelt erfahren nicht nur die Protagonisten, sondern auch die Spieler mehr über die wahren Absichten der Menschen. Das Ziel: Den Schatz, also die Seele, der Herrscher finden und stehlen. Damit kann ein „Change of Heart“ erreicht werden. Nur so lassen sich die Menschen verändern.
Die Dungeons des Spiels sind extrem abwechslungsreich und lauern voller Gefahren. Sogenannte Shadows bewachen den Schatz. Zudem sind nicht alle Örtlichkeiten in einem Palast sofort verfügbar, denn teilweise müsst ihr zusammen mit euren Freunden im Spiel außerhalb der Parallelwelt tätig werden, um beispielsweise Türen zu öffnen.
Und um die Sache noch gehörig zu würzen, sitzt euch ein Zeitlimit im Nacken. Der erste Palast muss binnen zwei Wochen im Spiel beendet sein. Warum? Nun, das verrate ich dann schon wieder nicht. Der zweite Palast lässt euch sogar drei Wochen Zeit. Doch hier hat es auch einen guten Grund, weil ihr ständig zwischen Fiktion und Realität springen müsst, um Rätsel zu lösen. Und weil die Schule nicht zu verachten ist, gilt es natürlich vorbildlich die Schulbank zu drücken. Von Montag bis einschließlich Samstag sitzen der Protagonist, Ann, Ryuji und Co. in der Highschool und lernen fleißig. Grundsätzlich läuft ein Tag so ab: Von morgens bis „After School“ habt ihr wenig bis keinen Spielraum. Am Abend und in der Nacht dürft ihr machen, was ihr möchtet.
Persona 5 Royal – Wichtige Entscheidungen
Da die Zeit stark begrenzt ist, gilt es jederzeit abzuwägen, was genau ihr tun wollt. Aufgrund des großzügigen Zeitraums für das Absolvieren eines Dungeons rate ich zum Beispiel dazu, diese so schnell wie möglich anzugehen. Jedenfalls bis ihr zu einer storytechnischen „Wand“ kommt. Wenn ihr dann einige Tage mit Freunden im Spiel verbringt, arbeitet oder lernt (ja, das ist möglich und wichtig!), stärkt ihr nicht nur die Verbindung zu ihnen, sondern seid auch selbst geschickter im Alltag. Zudem kommt ihr so an Items, Geld und weitere sogenannte Confidants.
Und ja, wenn ihr nun gerade darüber nachdenkt, Ann oder Futaba zu daten – das ist natürlich auch möglich. Natürlich könnt ihr auch eurem Gastgeber im Café behilflich sein und so zum Teilzeitbarista werden. Oder ihr geht ins Kino und steigert so euer Wissen oder euren Charme. Oder ihr geht in die Arcade-Hallen oder ins Badehaus oder in ein Burger Restaurant und versucht euch an einer Burger-Challenge und, und, und. Persona 5 Royal bietet zahllose Nebenaktivitäten, die ihr unmöglich in einem Durchgang erleben könnt. Aber kein Problem: Es gibt vier Enden, wobei nur eines davon gut und der Rest „schlecht“ ist.
Diese Aktivitäten steigern, wie kurz angerissen, die Attribute Knowledge, Charme, Guts, Proficency und Kindness. Je höher ihr diese ausprägt, desto mehr Aktivitäten sind verfügbar. Wollt ihr eine der Damen daten, müsst ihr schon wortgewandt sein und vor allem viel Guts (=Mut) haben. Als Phantom Thief habt ihr aber natürlich noch viele andere Sorgen. Je populärer eure Gruppe wird, desto mehr Personen interessieren sich für euch. Medien und schlussendlich auch die Polizei. Es entsteht ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel zwischen all diesen Fraktionen.
Persona 5 Royal – Meta-Humor, Meta-Spiel
Damit euer Kampftraining zwischen den großen Dungeons nicht einrostet, gibt es das sogenannte Metaverse. Oder auch Mementos genannt. Dabei handelt es sich um die „kollektive Psyche“ der Gesellschaft. Quasi ein zufällig generierter endloser Dungeon mit einigen coolen Eigenheiten. Wenn es draußen regnet oder die Pollenwarnung ausgesprochen wurde, erfreut ihr euch im Memento an starken Gegenständen und mächtigeren Gegnern, die potente Waffen und mehr droppen können. Und auch auf die reale Welt hat die Witterung Auswirkungen. Bei Regen lässt es sich besser lernen und ein Bad erfrischt noch mehr als ohnehin.
Und was wäre ein so abgefahrenes Spiel nicht ohne Schutzgeister. In Persona 5 Royal sind das die sogenannten und titelgebenden Persona. Jeder der Hauptprotagonisten besitzt einen solchen Geist. Ann, Ryuji, Futaba und Co verfügen über sehr unterschiedliche Spezialkräfte, die sie im Kampf einzigartig machen. Während der Protagonist auf Arsene Lupin setzt, beschwört die hübsche Ann beispielsweise „Carmen“, eine Ballerina. Ryuji hingegen holt den Pirat Kidd hervor. Neben Standard-Attacken oder dem Einsatz von Schwusswaffen dürft ihr so auch auf die Fähigkeiten der Personas zurückgreifen. Dabei gibt es rund ein Dutzend an verschiedenen Elementen – von Feuer über Eis bis hin zu Heiligschaden.
Doch das Kampfsystem bietet verdammt viel Tiefe. Der Protagonist des Spiels ist nämlich nicht an eine Persona gebunden. Stattdessen könnt ihr, ganz im Stile von Pokémon, Feinde auch „fangen“. Dazu müsst ihr deren Schwachpunkte attackieren (beispielsweise durch Feuerzauber), sodass ein sogenanntes „Hold Up“ entsteht. Dabei umkreist die Truppe die Feinde und es stehen fünf Optionen zur Auswahl: Finisher, Formation auflösen und den Kampf fortführen, belabern, Item oder Geld einfordern. Beim Finisher verursacht ihr sehr viel Schaden und die letzten beiden Kategorien sind selbsterklärend. Übrigens: Nutzt ihr deren Schwachpunkte aus, könnt ihr mit derselben Figur nochmal angreifen. Oder ihr nutzt die Baton-Fähigkeit und wechselt so ohne Strafe zu einem Teammitglied.
Persona 5 Royal – Willst du mein Freund sein?
Wenn ihr einen starken Gegner für euch gewinnen möchtet, gilt es seine Schwächen auszunutzen. Liegt er am Boden, gilt es zwei seiner Fragen zu beantworten. Dabei müsst ihr sehr spitzfindig sein, denn manche Feinde verraten nur zwischen den Zeilen, was sie wirklich hören möchten. So fragt ein Geist beispielsweise, warum ihr zu so später Stunde noch draußen spielt. Wenn ihr mit dem Gedanken spielt, frech zu sein, wird der Geist böse und attackiert euch wohlmöglich. Manche Feinde wollen aber genau das von euch – gemeine Antworten helfen manchmal weiter. Schade nur, dass sich dieses Minispiel relativ schnell wiederholt und ich so ohne Nachdenken die richtige Antwort erkannte.
Übrigens: Bosse, der Reaper und einige andere Ausnahmen lassen sich nicht fangen. Macht nichts, denn im sogenannten Velvet Room, den ihr während Träumen oder vor Dungeons (oder in Shibuya neben dem Waffenladen) betreten könnt, dürft ihr zwei Personas miteinander verschmelzen. Wenn ihr dann noch den passenden Confidant (das sind Freunde außerhalb und innerhalb der eigentlichen Party) habt, gibt es Bonus-XP. Zudem dürft ihr beim Verschmelzen eine oder gleich mehrere Fähigkeiten vererben. Die Möglichkeiten sind riesig – sofern ihr auch das benötigte Level habt. Meistens entspricht dies dem eigenen, wobei es auch Ausnahmen gibt. Insgesamt stehen euch mehr als 200 verschiedene Masken/Persona zur Verfügung.
Ein kurzer Schwenk zu den Bossgegnern im Spiel. Diese sind mitunter sehr herausfordernd und verlangen von euch, dass ihr nicht nur das Kampfsystem versteht, sondern auch ein bisschen Köpfchen beweist. Nur mit der korrekten Strategie und den korrekten Entscheidungen lassen sich die Obermotze besiegen. Etwas perplex war ich, dass die Fieslinge mitunter ganze Klassen mächtiger waren als die Gegner zuvor – im gleichen Dungeon! Noch viel absurder stellt sich das im schweren oder gar „Merciless“-Schwierigkeitsgrad dar, wo jeder Fehler eurerseits sofort zum Bildschirmtod führt.
Noch mehr zu tun!
Neben den Liebesgeschichten, den Ausflügen ins Metaverse, dem Schülerdasein und so weiter und so fort dürft ihr auch andere Dinge erledigen. In Shibuya stehen euch beispielsweise gleich mehrere Nebenjobs zur Verfügung. Dabei dürft ihr als Verkäufer im Laden arbeiten oder versucht euch als Kellner. Die Möglichkeiten sind sehr groß. Zudem gibt es eine eigene Website für die Phantom Tiefs, die von einem Schulfreud gemanaged wird. Dort lassen sich verschiedene Aufträge finden, die die virtuellen Nutzer hinterlassen. Diese entführen euch wiederum ins Memento, wo ihr die Stalker, Unruhestifter und so weiter und so fort zur Rechenschaft ziehen könnt.
Darüber hinaus gibt es eine optionale Online-Anbindung. Damit könnt ihr checken, was andere Spieler zu einem bestimmten Zeitpunkt gemacht haben. Außerdem dürft ihr später eure Masken mit anderen Spielern kombinieren, was umso cooler ist. Einen echten spielerischen Mehrwert hat es nicht, da die Masken auch im Solospiel zu finden sind.
Grafisch ist Persona 5 Royal über jeden Zweifel erhaben. Auf der PS4 Pro bekommt ihr ein sauberes Bild mit konstanter Framerate, während die Base PS4 im belebten Shibuya bei Nacht hin und wieder ins Stocken gerät. Die Anime-Sequenzen sind allererste Sahne und machen einen extrem hochwertigen Eindruck. Die englischen Sprecher sind ebenfalls spitze, wobei ich persönlich die japanische Sprachausgabe (2,9 GB großer, kostenloser Download) bevorzuge. Der Soundtrack des Spiels ist ebenfalls stark. Etwas schade ist nur, dass nicht alle Passagen des Spiels vertont sind. Doch das ist aufgrund der immensen Menge durchaus zu verschmerzen.
Das ist neu in der Royal Version
Fangen wir mit einem Kritikpunkt an, den ich auch schon im ursprünglichen Test bemängelte: Deutsche Untertitel. Fehlten diese noch im Original, dürft ihr euch nun darüber freuen, sodass auch all jene in den Genuss der Story kommen, die des Englischen nicht mächtig sind. Wenn wir schon bei diesem Punkt sind, so will ich auch erwähnen, dass viele Übersetzungen maßgeblich überarbeitet sind. Das betrifft vor allem jene Szenen, in denen die Entwickler arg homophob gewesen sind, wenngleich genau eine besondere Szene (Ryuji trifft zwei ineinander verliebte Männer in Shibuya) nicht sonderlich viel besser gehandhabt wird. Zudem haben die Entwickler die Texturen des Spiels durch die Bank höher aufgelöst, sodass auch optisch ein noch besseres Bild entsteht.
Damit aber ist noch lange nicht genug, schließlich wollen die 60 Euro Kaufpreis auch rechtfertig werden. Und so bietet die Royal-Version des Spiels ein frisches Semester, das bis zu 30 Spielstunden an zusätzlichen Inhalten bietet. Dabei könnt ihr euch auf einen neuen Dungeon sowie weitere Charaktere freuen. So trefft ihr auf die sportliche Katsumi und den Psychologen Maruki. Überdies erwartet euch ein rundum verbessertes Kampfsystem. Sorgte der Baton-Pass im Original noch für Kopfschmerzen, ist die Mechanik jetzt einfacher auszuführen. Weiterhin bekommen die titelgebenden Persona neue Fähigkeiten, die das Kampfgeschehen spannender gestalten. Auch die neuen Feinde haben es richtig in sich und dürften selbst Veteranen ordentlich fordern. Übrigens: Neue Spielmechaniken wie der Enterhaken feiern ihren Einstand und lockern das Geschehen zusätzlich auf.
Nichtsdestoweniger gilt es ganz offen die Preisdiskussion anzufachen. Sind 60 Euro wirklich gerechtfertigt für ein Spiel, das 2017 erschienen ist? Bis zu 30 Spielstunden klingen erst einmal ganz nett, doch es bleibt der fade Beigeschmack, dass es sich hierbei auch um eine simple Erweiterung des Spiels handelt. Und Erweiterungen kosten in der Regel nicht mehr als 30 Euro.