Im Test zeigt Final Fantasy VII Remake, dass es den Charme des Originals bestens einfängt und darüber hinaus eine ganze Menge an coolen Neuheiten bringt. Sowohl grafisch wie auch spielerisch befindet sich das Remake absolut auf der Höhe der Zeit. Zudem liefert es frische Impulse, die das Spielerlebnis im Vergleich zum Original maßgeblich aufwerten. Worum es sich hierbei handelt und warum ihr das Spiel definitiv gezockt haben solltet, erfahrt ihr in den nachfolgenden Zeilen!
Sprechen wir doch zuerst über den Elefanten im Raum: Final Fantasy VII Remake ist nicht das gesamte Spiel. Stattdessen handelt es sich „nur“ um den ersten Teil, nämlich bis zum Abschluss der Midgard-Storyline, den es zu erleben gibt. Doch das alleine reicht – Kenner wissen es – nur zwischen fünf bis acht Spielstunden im Original. Final Fantasy VII Remake ist jedoch ein vollwertiges Erlebnis mit bis zu 30 bzw. 40 Spielstunden. Der Clou liegt in den Neuheiten!
Final Fantasy VII Remake – Eco-Terroristen fürs Klima
Während sich Gretas Lemminge noch auf friedliche Mahnstreiks besinnen, ist die Avalanche Gruppe im Spiel schon viel weiter. Die lassen nicht einen, sondern gleich zwei Reaktoren hochgehen. Den Anfang des Spiels macht natürlich der Anschlag auf Mako Reactor 7. Schnell wird jedoch deutlich, dass die Gruppe rund um Barret Wallace nicht die Hauptschuld am Unglück betrifft, denn der fiese Shinra-Konzern hat der Bombe ein klein wenig nachgeholfen. Und so verändert sich das Narrativ einer Gruppe, die eigentlich nur für den Planeten kämpft um in eine Gruppe, die sich zusammen mit dem Wutai-Clan gegen den Kapitalismus und alles, was sonst heilig ist, stellt und den Krieg sucht.
Mittendrin statt nur dabei ist Cloud Strife, der Ex-SOLDIER, der in Mako – die Lebensenergie des Planeten – gebadet hat und dementsprechend stark ist. Es sollte eigentlich nur ein Job für den Lebensunterhalt sein, doch was dabei herauskommt, hat er sich vermutlich nicht vorstellen können. Und so beginnt dann auch eines der besten JRPGs aller Zeiten. Sofern ihr das Original nicht kennt, will ich auch keine weiteren Details zur Geschichte verraten, denn auch der Midgard-Teil bietet so manche spannende und im Bezug auf einen Charakter sehr unerwartete Wendung.
Doch wie schaffen es die Entwickler, bis zu 40 Spielstunden herauszuholen? Die Antwort ist simpel: Beziehungen zwischen den einzelnen Charakteren rücken deutlich stärker in den Fokus. Tifa und Cloud sind hier das Paradebeispiel, denn das Remake beleuchtet deren Kindheit merklich stärker und prominenter als das Original. Auch die anfängliche Skepsis seitens Barret gegenüber Cloud ist spürbar stärker herauszulesen. Das rundet die gesamte Storyline ungemein ab und birgt auch für Kenner mitunter interessante Neuigkeiten. Wenn Square Enix dieses Konzept auch für die nachfolgenden Kapitel verfolgt, warte ich persönlich gerne ein paar Jahre!
Modernisiertes Kampfsystem inmitten klassischer Linearität
Final Fantasy VII Remake ist zweifelsfrei ein Spagat zwischen Neu und Alt. Auf der einen Seite ist das spielerische Design der unterschiedlichen Areale absolut klassisch gehalten. Anstatt sich dem Open World Trend anzuschließen und die Spielwelt, welche auch im Original zu Beginn strikt linear war, zu öffnen, haben die Entwickler die korrekte Entscheidung getroffen und dies auch so belassen. Heißt: Trefft ihr beispielsweise Aerith in der Kirche, folgt erst einmal ein etwas längerer, strikt linearer Ablauf. Das tut dem Spiel allerdings keinen Abbruch, denn es fühlt sich einfach richtig an. Zudem sorgt der Smalltalk während dieser Passagen für anhaltendes Lächeln – zumindest bei mir.
Ohnehin haben die Entwickler ein beliebtes und charmantes Feature aus Final Fantasy XV übernommen: Smalltalk. Die Charaktere quatschen während der Trips stets miteinander oder werfen sich neckische Kommentare entgegen. Nach einem Kampf fragt Barret beispielsweise, ob man seine geile Performance erlebt hat, was Cloud mit einem „muss es wohl verpasst haben“ quittiert. Oder Barrets ironisches „Ganz sicher war es das“ nach Clouds „Das war ja einfach“. Die Klassik gepaart mit jenen modernen Elementen hebt das Spielerlebnis auf ein ganz neues Niveau, das mir sehr gut schmeckt.
Das Kampfsystem hingegen ist kaum wiederzuerkennen. Vorbei sind die Tage, in denen sich ATB-Balken selbstständig gefüllt haben und ihr nur passiv wartet bis sich was auf dem Bildschirm tun kann. Natürlich gibt es da den Classic-Mode, der das ein wenig emulieren will, doch diesen Modus empfehle ich ausschließlich jenen, die lediglich die Story erleben möchten. Das hängt damit zusammen, dass der Schwierigkeitsgrad ohnehin niedrig angesetzt ist und erst mit dem – freischaltbaren – Hard Mode wirklich annehmbar ist. Für meinen Teil war Normal ein Spaziergang und keine Herausforderung.
Button-Smashing mit Finesse
Die Kämpfe sind am besten vergleichbar mit Final Fantasy XV. Feinde seht ihr jederzeit und einen kurzen Ladebildschirm für ein extra Kampffenster gibt es nicht mehr. Alles läuft butterweich ineinander. Mit Viereck smashen Barret, Tifa und Cloud auf die Gegner ein, während Aerith im Bestfall irgendwo hinten steht und ihre Magie wirkt. Jeder der vier Charaktere hat sehr unterschiedliche Spielstile, die durch das clevere Upgrade-System noch viel stärker differenziert werden. Sobald sich der ATB-Balken durch Angriffe füllt, könnt ihr Fähigkeiten, Magie oder Gegenstände verwenden.
Insbesondere die Tatsache, dass auch der Itemeinsatz an den ATB-Balken gebunden ist, sorgt für eine taktische Note. Sofern sich eure Helden nämlich in Not befinden, könnt ihr sie nicht ohne Aufgabe eines ATB-Balkens heilen. Gegner haben verschiedene Schwachpunkte (Elementar-Schaden, Angriffe oder Fähigkeiten beispielsweise), die ihr schamlos ausnutzen solltet, um sie zu „Staggern“. Dann erhöht sich euer Schaden multiplikativ. Gerade bei Bossen solltet ihr davon Gebrauch machen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Zudem ist es empfehlenswert, die Charaktere im Kampf stets zu wechseln, damit sie optimal performen. Zwar ist deren KI gut, es ist trotzdem ratsam, ihnen Kommandos über L2/R2 bzw. die Quick-Assign-Buttons zu geben.
Natürlich gibt es auch Esper im Spiel, die aber leider nur in vordefinierten Kämpfen zum Einsatz kommen und sich grundsätzlich anders handhaben als im Original. Neben Shiva, Ifrit, Leviathan und einem fetten Mogry sowie Chocobo & Moogle und einem echten Monstrum (ihr könnt euch sicherlich denken, wer das ist) bekommen Vorbesteller und Deluxe Edition Besitzer noch weitere Esper, darunter Carbuncle und Cactuar. Sie kämpfen nach Beschwörung eigenständig, nehmen aber im Austausch gegen ATB-Balken zusätzliche Kommandos entgegen, die mächtig viel Schaden anrichten. Am Ende gibt es einen fulminanten Power-Move, der an die klassische Beschwörung erinnert.
Final Fantasy VII Remake – Viel zu tun, viel zu erleben
Der Titel bietet natürlich auch allerhand ruhige Örtlichkeiten in Form von Städten. Und wer hätte es gedacht: Square Enix versteht es ja doch, Städte zu modellieren und sinnvoll mit Leben zu füllen. Final Fantasy XV war ein guter Anfang, ließ aber den klassischen Stil vermissen. Die Slums in Final Fantasy VII Remake hingegen sind klasse und wirken genauso belebt wie im PS1 Klassiker. Neu sind jedoch die zahlreichen Nebenquests. Zwar handelt es sich hierbei um das übliche Einmaleins aus „Kille x Gegner von Typ A, die mein Business stören“ bis hin zu den wenig aufregenden Bring und Hol-Quests. Nichtsdestoweniger lockern die das Spielerlebnis auf und zur Belohnung gibt es am Ende tolle „Discoveries“, die die Beziehung zu den Charakteren weiter verstärken.
Minispiele dürfen nicht fehlen und da bietet Final Fantasy VII Remake eine ganze Fülle. Seien es Darts oder sportliche Aktivitäten – viele klassische Spielchen aus dem Original haben ihren Weg ins Remake gefunden und wirken genauso cool wie früher. Insgesamt dürft ihr euch auf rund 50-70 Spielstunden an Inhalten freuen, wenn ihr wirklich alles freischalten möchtet.
Final Fantasy VII Remake – Audiovisuelles Spektakel
Grafisch ist Final Fantasy VII Remake eine Wucht. Insbesondere da, wo es ohnehin schon gut aussieht, sieht es umwerfend aus und lässt so manch anderes Spiel dieser Generation richtig blass aussehen. Wenn ihr darüber hinaus einen HDR-fähigen 4K TV habt, dürft ihr exzellentes HDR genießen, wodurch alles nochmal an Kontrast und Realitätsfaktor gewinnt (insbesondere teure HDR-Geräte wie das Samsung Q90R stechen hier sehr positiv heraus). Leider aber schwächelt der Titel an den üblichen Problemen der Unreal Engine 4, insbesondere I/O wie schon Star Wars Jedi: Fallen Order. Manche Texturen laden sogar einfach gar nicht – das ist besonders bei Clouds und Tifas Eingangstüren in den Sector 7 Slums zu sehen. Die PS5 sollte das aber dann für Part 2 wettmachen.
Der Soundtrack des Spiels ist modernisiert und doch sofort wiederzuerkennen. Egal ob Tifas Theme, Aerith‘ und so weiter und so fort – alle klingen anno 2020 einfach wunderschön. Mir persönlich gefallen vor allem die Effekt-Sounds besonders gut, die komplett neu sind. „Those who fight further“ (Standard-Kampfmusik) sowie die Boss-Battle-Themes sind einfach superb modernisiert und richtige Stimmungsmacher.
Die englischen und japanischen Sprecher/innen sind exzellent. Ich persönlich bevorzuge in der Regel die japanischen Originale, doch bei Final Fantasy VII Remake konnte ich mich in der Tat nicht entscheiden und wechsle ständig hin und her. Alle haben eine absolut exzellente Leistung abgeliefert. Ein kleiner Hinweis an dieser Stelle: Wenn ihr des Japanischen nicht mächtig seid, solltet ihr vielleicht die deutsche Sprachausgabe wählen, weil nicht alle Kommentare seitens der Charaktere untertitelt sind. Das gilt auch für die englischen Sprecher, aber da ist die Chance einfach höher, dass ihr sie trotzdem versteht. Die deutsche Sprachausgabe ist lediglich gut.