The Last of US Part II. 2013 hat Naughty Dog mit dem Vorgänger The Last of Us ein packendes postapokalyptisches Universum geschaffen. Eine Pilzinfektion hatte viele Menschen zu blutrünstigen Monstern mutieren lassen, wodurch die Zivilisation, wie wir sie kennen, vollständig zusammengebrochen ist. In dieser Welt versuchen diejenigen, die von der Pilzinfektion verschont geblieben sind, mit allen Mitteln ihr Überleben zu sichern. Vor diesem Hintergrund haben wir uns in der Haut des Schmugglers Joel zusammen mit dem jungen Mädchen Ellie auf eine lange Reise durch die verwüsteten USA begeben. Denn Ellie ist tatsächlich immun gegen die Infektion und damit vielleicht die letzte Hoffnung der Menschheit.
The Last of Us hat uns 2013 nicht nur mit seiner grafischen Pracht und dichten Atmosphäre beeindruckt. Auch die ergreifende Story und die Entwicklung von Ellie und Joel war beeindruckend. Selbst in einer von mutierten Kreaturen verseuchten Welt ist Mensch oftmals das größte Monster. Dieses Bild hat uns Naughty Dog im ersten Teil vermitteln können.
The Last of Us Part II – Ein bisschen Frieden
Der zweite Teil spielt einige Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers. Ellie ist mittlerweile zu einer jungen Frau herangewachsen. Sie lebt zusammen mit Joel in Jackson, Wyoming, wo das Leben fast normal wirkt. Das kann aber natürlich nicht so bleiben und eines Tages überschlagen sich die Ereignisse. Ellie begibt sich auf der Suche nach Rache auf einen Trip, der sie bis zur Westküste der USA führt.
The Last of Us Part II Test (PS4) – Schonungslose Gewalt
Bereits der Vorgänger war hinsichtlich der Darstellung von Gewalt keineswegs zimperlich. Im neuen Teil legen die Entwickler allerdings nochmal eine Schippe drauf. Wenn Ellie einen Gegner von hinten anspringt und mit dem Messer erledigt, ist das kein elegantes Manöver. Wir spüren als Spieler förmlich, welche körperliche Anstrengung sie das kostet. Ebenso können wir den Schrecken in den Augen unserer Feinde sehen, kurz bevor wir ihnen das Leben nehmen. Zunächst fühlt sich das Ausschalten von menschlichen Gegnern dadurch fast schon zu intensiv an. Auch hier entwickeln wir trotzdem mit der Zeit eine Routine. Nichtsdestotrotz gab es im Verlauf der Story Szenen, nach denen wir erstmal kurz den Controller weglegen und durchatmen mussten.
The Last of Us Part II – Wunderschön verwahrloste Spielwelt
Beim Design der Spielwelt zeigen die Entwickler wieder einmal, wie sehr sie die Technik der PS4 ausreizen können. Denn egal, ob wir auf einer Patrouille durch das verschneite Wyoming reiten oder uns durch den sprichwörtlichen Großstadtdschungel von Seattle schlagen, das Spiel sieht einfach fantastisch aus. Die Spielwelt ist mit so viel Liebe zum Detail designt. Man könnte denken, es wäre einer dieser Dokumentationen, in denen eine Welt nach dem Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation gezeigt wird. Den Entwicklern gelingt es wirklich hervorragend, eine glaubwürdige Spielwelt zu kreieren. Neben all der Action und dem Horror auch durchaus lädt das Spiel einfach mal zum Verweilen ein. Im Vergleich zum Vorgänger ist die Spielwelt auch deutlich vertikaler. Es bleibt insgesamt trotz der Illusion einer offenen Spielwelt aber recht linear.
The Last of Us Part II – Der Mensch ist des Menschen Wolf
Wie schon im Vorgänger verhalten sich die Menschen teilweise schlimmer als die Infizierten. Weit davon entfernt, als Menschheit gemeinsam gegen das Aussterben zu kämpfen, bekämpfen sich die Menschen nämlich lieber gegenseitig. Konkret bekommen wir es im Spiel mit 2 Gruppierungen zu tun. Auf der einen Seite gibt es die Washington Liberation Front (WLF) und den Seraphiten oder Scars.
Bei ersteren handelt es sich um eine paramilitärische Organisation, die unter anderem mit Hunden Jagd auf uns macht. Diese nehmen unsere Witterung auf, sodass wir ständig in Bewegung bleiben müssen. Zudem müssen wir unsere Feinde mittels Flaschenwürfen und dergleichen aktiv ablenken. Bei den Scars handelt es sich um religiöse Fanatiker. Diese Gruppierung ist auch gern mal brutal zu den Menschen. Sie schlachten Menschen ab bzw. befreieen sie, wie sie es selbst nennen. Im Kampf kommunizieren sie über Pfiffe, wodurch wir nie genau wissen, was sie als nächstes vorhaben. Dies sorgt oft für eine hohe situative Spannung.
Aber egal, ob wir nun gegen die WLF oder gegen die Scars kämpfen, im offenen Kampf ziehen wir fast immer den Kürzeren. Da kommt es nur gelegen, dass Ellie im Vergleich zu Joel im Vorgänger deutlich flexibler agiert. So können wir neuerdings auf dem Bauch durchs Gras kriechen oder auf dem Boden liegend feuern. Unser Arsenal umfasst dabei Pistolen, Gewehre, einen Bogen, Molotov-Cocktails sowie diverse Fallen und Nahkampfwaffen. Ellie ist dabei zwar tough, aber keineswegs eine Elite-Soldatin, was sich beispielweise an einem etwas schwammigen Zielen bemerkbar macht. Außerdem müssen wir auch ständig in Bewegung bleiben und auf die Sichtlinien der Gegner achteen. Wenn uns ein Gegner zu nahekommt, während wir im Gras liegen, wird er uns trotzdem entdecken. Gerade auf den höheren Schwierigkeitsgraden spielen sich die Kämpfe daher wirklich wie Überlebenskämpfe. Dies macht das Schleichen stets zu einer attraktiven Alternative.
Minimalistisches Crafting & Skills
Wie gesagt, ist Ellie beileibe keine Elite-Soldatin, die sich problemlos durch Horden von Gegnern metzeln kann. Eine umso größere Rolle spielen daher die Verbesserungen, die wir bei unseren Waffen und bei Ellies Fähigkeiten vornehmen können. Von diesen gibt es zwar eine äußerst überschaubare Anzahl. Trotzdem ist nahezu jede dieser Verbesserungen sinnvoll und macht sich unmittelbar im Spiel bemerkbar. Wenn wir beispielsweise den Rückstoß unseres Gewehrs verringern, so spüren wir direkt die Erleichterung beim Schießen, die daraus resultiert. Ebenso verhält es sich mit Ellies Fähigkeiten. Für deren Entwicklung müssen wir zunächst spezielle Fertigkeitenbücher finden, die in der Spielwelt verstreut sind. Erst dann können wir mittels Pillen, die ebenfalls in der Spielwelt zu finden sind, die jeweilige Fähigkeiten entwickeln. Die aufmerksame Erkundung der Spielwelt wird also spielmechanisch belohnt.
Die Langzeitwirkungen einer Pilzinfektion
Neben menschlichen Gegnern bekommen wir es auch regelmäßig mit den Opfern der Pilzinfektion zu tun, die die menschliche Zivilisation hat zusammenbrechen lassen. Zu den aus dem Vorgänger bekannten Infizierten gesellt sich in The Last of Us Part II noch ein neuer Ableger, der eindrucksvoll belegt, warum man mit einer Pilzinfektion unbedingt zum Arzt gehen sollte. Infizierten begegnen wir zumeist im dunklen Inneren von Gebäuden oder Tiefgaragen.
In solchen Passagen spielt sich The Last of Us Part II wie klassischer Survival-Horror und sorgt einige Male für regelrechte Schockmomente, wenn wir beispielweise unentdeckt durch dunkle Räume schleichen, nur um dann von einem an einer Wand festgewachsenen Infizierten angesprungen zu werden. Wenn möglich, entscheiden wir uns vorugsweise für den leisen Weg und schleichen um die Infizierten herum oder schalten sie nacheinander leise aus. Denn auch wenn wir uns mit Schrotflinte und Molotov-Cocktails für den Kampf gewappnet fühlen, geraten wir angesichts der schieren Masse an Infizierten schnell ins Hintertreffen. In diesem Fall heißt es dann oft Beine in die Hand nehmen, wenn uns unser Leben lieb ist.
Klügere Begleiter
Wer den Vorgänger gespielt hat, weiß, dass unsere Begleiter sich nicht immer unbedingt klug angestellt haben. In The Last of Us Part II gehört das nun größtenteils der Vergangenheit an. Wenn wir mit einem Begleiter unterwegs sind, so geht dieser meist aktiv in Deckung und auch wenn wir leider keine direkten Befehle erteilen können, ist mit den Begleitern sogar das ein oder andere Flankenmanöver möglich. Dennoch leisten sich die Begleiter auch hin und wieder Aussetzer, wenn sie zum Beispiel in nahezu völliger Dunkelheit ein gutes Stück im Voraus auf uns warten und so jede situative Spannung ruinieren.
Insgesamt wurde das Gameplay im Detail an vielen Stellen verbessert und dynamischer gestaltet, den ganz großen Sprung in Sachen Gameplay, den man bei 7 Jahren Abstand zum Vorgänger mit einiger Berechtigung erwarten dürfte, machen die Entwickler mit The Last of Us Part II jedoch nicht.
Neue Perspektiven
Nun kommen wir zu den entscheidenden Aspekten, die den Vorgänger zu solch einem herausragenden Spiel gemacht haben, der Story und den Charakteren. Naughty Dog ist in The Last of Us Part II sichtlich darum bemüht, keine klassische Geschichte von Gut und Böse zu erzählen. Zunächst einmal werden nämlich auch die menschlichen Gegner, die wir im Spiel massenweise ins Jenseits schicken mit menschlichen Eigenschaften dargestellt. Wenn wir beispielsweise einen Gegner erledigt haben, rufen die restlichen Gegner auf der Suche nach ihm seinen Namen und reagieren auch schockiert, wenn sie dann die Leiche finden. An dieser Stelle gelingt es den Entwicklern, den in Videospielen normalerweise gesichtslosen generischen Gegnern einen Hauch von Individualität einzuhauchen. Wir kämpfen nämlich nicht einfach gegen austauschbare Klongegner, sondern gegen Menschen mit eigenen Gefühlen, Sorgen und Ängsten.
Was Naughty Dog hier im Kleinen gelingt, will im Großen aber nicht so richtig zünden. Ohne zu viel verraten zu wollen, erleben wir The Last of Us Part II nämlich nicht nur aus Ellies Perspektive. Es ist klar, dass es den Entwicklern mit dieser kontroversen Designentscheidung darum ging, eingefahrene Narrative vom guten Spieler und bösen Gegenspielern aufzubrechen. Damit das aber gelingt, also damit wir als Spieler mit einem neuen Charakter mitfühlen und dessen Perspektive auch empathisch nachvollziehen können, ist es aber nötig, dass dieser Charakter entsprechend eingeführt wird. Das ist genau der Punkt, an dem das Storytelling The Last of Us Part II unserer Meinung nach versagt.
Vergleich zum Vorgänger
Wie alle Liebhaber von The Last of Us haben wir Ellie und Joel im ersten Teil kennen- und lieben gelernt. Die Art, wie nun aber im Nachfolger eine neue Spielfigur etabliert wird, fühlt sich für uns wie eine grobe Missachtung der Art und Weise an, wie Ellies und Joels Charaktere im Vorgänger etabliert wurden und sich entwickelt haben.
Während wir nämlich den kompletten Vorgänger über Zeit hatten, uns mit den beiden anzufreunden, aber auch ihre Schattenseiten kennenzulernen, sollen wir plötzlich im Bruchteil dieser Zeit eine Bindung zu einem komplett neuen Charakter aufbauen, der es uns bei aller Liebe wirklich schwer macht, Verständnis oder gar Sympathie für ihn zu hegen. Ebenso nagt es gehörig an der Motivation, dass wir gegen Mitte des Spiels an einem dramatischen Punkt in der Story unvermittelt für etliche Stunden im Grunde dieselben Storyabschnitte nochmal spielen müssen, nur dieses Mal aus einer neuen Perspektive.
Schwache Charakterzeichnung
Apropos Charaktere: Während der Vorgänger ein Paradebeispiel dafür ablieferte, wie tiefgründig und nachvollziehbar man die Entwicklung von Charakteren in einem Videospiel darstellen kann, wirken die meisten Charaktere in The Last of Us Part II tragischerweise wie Abziehbilder. Weder Ellies Beziehung zu Joel oder Ellies Beziehung zu Dina noch irgendeine andere Beziehung zwischen Charakteren erreicht auch nur annähernd die Tiefe der quasi-väterlichen Beziehung von Joel zu Ellie aus dem Vorgänger. Im Gegenteil wirken viele Charaktere geradezu wie Klischees in der sich um Gewalt und Rache drehenden Geschichte. Da gibt es die einen, die um jeden Preis Rache für dieses oder jenes Unrecht wollen, das ihnen angetan wurde, und die anderen, für die Rache nur weiter den Kreislauf der Gewalt antreibt. Ohne zu viel zu verraten gibt es eigentlich keinen Charakter, dessen Entwicklung im Verlauf der Story wirklich nachvollziehbar wird.
Der moralische Zeigefinger
Naughty Dog will mit The Last of Us Part II eine tragische Geschichte rund um Rache erzählen, die abseits typischer Schwarz-Weiß-Narrative zum Nachdenken anregen soll. Dazu wird Gewalt schonungslos dargestellt und es gibt im Verlauf der Story einige schwer verdauliche Szenen. Das große Problem dabei ist aber, dass wir als Spieler zu keiner Zeit darüber entscheiden können, was passiert.
Stattdessen treibt uns das Spiel von einem Gewaltexzess zum anderen, ohne dass wir in irgendeiner Weise die Handlung beeinflussen könnten. Es ist keineswegs so, dass Gewalt hier um ihrer selbst willen zelebriert würde, nichtsdestotrotz konnten wir uns beim Spielen aber schwer des Eindrucks erwehren, dass die Entwickler es den Spielern nicht zutrauen, die Story bzw. ihre Handlungen im Spiel selbst zu reflektieren. Statt also eigene Entscheidungen zu treffen und mit ihren mitunter schrecklichen Konsequenzen leben zu müssen, erleben wir in The Last of Us Part II eine fortwährende Eskalation der Gewalt eingebettet in eine im Grunde klassische Rachegeschichte, wobei der hartnäckige Eindruck entsteht, dass die Entwickler die Spieler über Rache und Gewalt belehren wollen.
Da der Perspektivwechsel mit der neuen Spielfigur aus den oben genannten Gründen so gründlich schiefgegangen ist, mussten wir uns gegen Ende daher geradezu zwingen, das Spiel durchzuspielen, nur um dann ein sehr enttäuschendes, weil absolut nicht nachvollziehbares Finale zu erleben.
Anderen Spielen könnten wir eine schwache Story oder uninteressante Charakter noch vergeben, wenn denn das Gameplay stimmt. Gerade für ein Spiel wie The Last of Us Part II, das, wie der Vorgänger, absolut von seiner Story und den Charakteren lebt, ist es aber absolut fatal, dass die Entwickler gerade in diesen beiden Punkten so versagen.